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Ratgeber
Personalberatung
Trends
Von Tim Heymann
26.08.2025
Fachkräfte sind knapp, Mandantenbedarfe steigen – und die Busy Season bleibt ein Stresstest. Kanzleien, die Flexibilität klug organisieren, gewinnen spürbar an Attraktivität und senken Fluktuations- sowie Krankheitsquoten. Dieser Leitfaden zeigt drei tragfähige Modelle für Steuerkanzleien (4‑Tage‑Woche, Jahresarbeitszeit, Team‑Schichten), die rechtlich sauber sind, Mandantenservice sichern und Produktivität messbar machen.
Ausgangslage:
Druck im Recruiting, Wunsch nach Flexibilität
Laut STAX 2024 konnten in Einzelkanzleien im Schnitt nur rund 40 % der offenen Stellen besetzt werden, in Berufsausübungsgesellschaften knapp 70 %. Das erhöht den Druck, Arbeitszeitmodelle attraktiv zu gestalten. (stb-web.de)
Gleichzeitig zeigen große 4‑Tage‑Woche‑Piloten: 92 % der UK‑Teilnehmer hielten nach dem Test am Modell fest; Stress und Burnout gingen signifikant zurück, teilweise bei stabilen oder steigenden Umsätzen. (Autonomy, Saïd Business School, 4 Day Week Global)
Für die Kapazitätsplanung sind feste Fristen wesentlich: Nicht beratene Steuerpflichtige für VZ 2024 bis 31.07.2025; in beratenen Fällen reichen die (pandemiebedingt) verlängerten Fristen für VZ 2024 bis 30.04.2026; regulär gilt bei Beratung Ende Februar des Zweitfolgejahres (§ 149 AO). (fm.rlp.de, Gesetze im Internet)
Die drei Modelle im Überblick:
Modell 1:
Die 4‑Tage‑Woche (32–36 Std.) – passend für wiederkehrende Prozesse
Kernidee: 100 % Gehalt, 80–90 % Zeit, 100 % Output – abgesichert durch klare Prozess‑ und Fokusregeln.
Varianten
4×8 (32 Std.) mit „Fokusfenster“ (z. B. 4×7,5 + 2 h asynchron)
9‑Day‑Fortnight (jede zweite Woche ein freier Tag)
Rollierendes 4‑Tage‑Dienstfenster für 5‑Tage‑Mandantenservice
Evidenz: UK‑Pilot (61 Firmen): 92 % bleiben dabei; weniger Stress/Burnout; keine negativen Umsatzeffekte. In Deutschland läuft/ lief eine erste Gruppenstudie (4 Day Week Global mit Intraprenör/Uni Münster), die u. a. Produktivität, Arbeitgeberattraktivität und Gesundheit untersucht; Zwischenstand: eher konservative Stundenreduktion, teils teamweise Piloten. (Autonomy, Saïd Business School, 4 Day Week Global)
Rechtlicher Rahmen: Max. 8 Std. werktäglich, bis zu 10 Std. möglich, wenn im 6‑Monats-/24‑Wochen‑Durchschnitt 8 Std. nicht überschritten werden (§ 3 ArbZG). 11 Std. Ruhezeit (§ 5 ArbZG); Sonn‑/Feiertagsruhe (§ 9 ArbZG). (Gesetze im Internet)
Modell 2:
Jahresarbeitszeit mit Busy‑Season‑Uplift – ideal für saisonale Lastspitzen
Kernidee: Jahresstunden vereinbaren (z. B. vertragliche Wochenstunden × 52 minus Urlaub/Feiertage/Weiterbildung) und über das Jahr verteilen: mehr Stunden in Spitzen (z. B. Feb–Jul), Ausgleich in ruhigeren Phasen (z. B. Aug–Okt). Das wahrt § 3 ArbZG (Durchschnittsgrenze), die 11‑Stunden‑Ruhezeit (§ 5) und die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung (BAG 1 ABR 22/21; BMAS FAQ). (Gesetze im Internet, BMAS)
Praxisformel (Beispiel, anpassbar)
Vertraglich 40 Std./Woche → 2.080 Jahresstunden.
Abzug 30 Urlaubstage (~240 h), 10 Feiertage (~80 h), 5 Trainingstage (~40 h) → ca. 1.720 Planstunden.
Davon 58 % (Feb–Jul) ≈ 1.000 h; 42 % (Aug–Jan) ≈ 720 h.
(Bitte eigene Feiertage/Region/Teilzeitquoten präzise einrechnen.)
Modell 3:
Team‑Schichtmodelle – Erreichbarkeit an fünf Tagen, freie Tage im Team
Kernidee: Zwei bis drei Schichten mit Überlappung; Teams rotieren, so dass jede:r die 4‑Tage‑Woche lebt und der Mandantenservice Mo–Fr stabil bleibt.
Beispiele
2‑Schicht (32 Std.): Früh 08–16 Uhr (Mo–Do), Spät 10–18 Uhr (Di–Fr); tägliche Übergabe 12:30–13:00.
3‑Schicht (Spitze): 08–12 / 11–15 / 14–18 Uhr; Reduktion auf 2‑Schicht außerhalb der Busy Season.
KPI‑Set: Produktivität messen – nicht Präsenz
Mandatsdurchlaufzeit (Median Tage von „Dokumente vollständig“ → „Fertig“)
Rework‑Quote (Anteil Fälle mit Korrekturen > 30 Min.)
First‑Time‑Right (Fälle ohne Rückfragen Mandant/Finanzamt)
Auslastung (Produktivstunden ÷ Planstunden) – nach Rolle differenziert
Krankheitsquote/Fehltage und Fluktuationsrate
Mandanten‑NPS bzw. Antwortzeiten (Telefon/Tickets)
Große Piloten zeigen: deutlich weniger Stress/Burnout, stabile bis steigende Umsätze – gute Indikatoren für Retention & Servicequalität. (Autonomy, Saïd Business School)
8‑Wochen‑Plan zur Umsetzung
(Pilotgröße: 15–30 Personen)
Woche 1 – Zielbild & Leitplanken: Servicezeiten, Fristenkalender (AO § 149), sensible Mandate, Urlaubsbandbreiten. (Gesetze im Internet)
Woche 2 – Arbeitszeit‑Compliance: Check § 3/§ 5/§ 9 ArbZG; Zeiterfassung (BAG, BMAS). (Gesetze im Internet)
Woche 3 – Prozess‑Slimming: Übergaben, Vorlagen, Dokumentenanforderung (Checklisten).
Woche 4 – Dienstpläne: Schichten mit fester Überlappung; Stellvertretungen.
Woche 5 – Simulation: zwei „Trockentage“, Engpässe fixen.
Woche 6–11 – Pilot: 6 Wochen live, wöchentliche 15‑Min‑Reviews der KPIs.
Woche 12 – Entscheidung: Go/Hold/Adjust inkl. Mandantenfeedback.
Recht in 60 Sekunden (Deutschland)
§ 3 ArbZG: Ø 8 Std./Werktag, max. 10 Std. mit Ausgleich im 6‑Monats‑/24‑Wochen‑Schnitt. (Gesetze im Internet)
§ 5 ArbZG: 11 Std. Ruhezeit. (Gesetze im Internet)
§ 9 ArbZG: Sonn‑/Feiertagsruhe. (Gesetze im Internet)
Arbeitszeiterfassung: Pflicht zur vollständigen Erfassung (BAG 1 ABR 22/21; BMAS FAQ). (BMAS)
Fristen Busy Season: § 149 AO; für VZ 2024 beraten bis 30.04.2026 (RLP‑Übersicht). (Gesetze im Internet, fm.rlp.de)
Meinung:
„Flexibilität ist kein Nice‑to‑have, sondern ein Produktivitätshebel. Wer die Busy Season mit strukturierten Stundenkonten und klaren Servicefenstern plant, gewinnt Leistung – und Loyalität.“
Mit 4‑Tage‑Woche, Jahresarbeitszeit und Schichtlogik lassen sich Kapazitätsspitzen abfangen, ohne Ihren Service zu verwässern. Entscheidend sind klare Leitplanken, saubere Planung und wenige, gute KPIs. Wenn Sie möchten, begleitet Sie Bridges von der Modellwahl über die Piloten bis zur internen Kommunikation – immer mit Blick auf Arbeitgeberattraktivität und schnelle Wirksamkeit.
FAQ
Ist die 4‑Tage‑Woche in Kanzleien realistisch?
Ja – wenn Servicefenster, Übergaben und Fokuszeiten sauber geplant sind. Große Piloten zeigen stabile Produktivität bei weniger Stress/Burnout. (Autonomy, Saïd Business School)
Wie rechne ich meine Jahresstunden?
Ausgehend von den vertraglichen Wochenstunden: × 52 Wochen minus Urlaub/Feiertage/Weiterbildung = Planstunden. Dann pro Monat prozentual verteilen (mehr in Spitzen, weniger im Sommer) – § 3/§ 5 ArbZG beachten. (Gesetze im Internet)
Welche Fristen definieren die Busy Season? § 149 AO regelt die Abgabefristen. Für VZ 2024 gelten in beratenen Fällen aufgrund Sonderregelungen Fristen bis 30.04.2026 (Länderinfo RLP). Nicht beratene Personen: 31.07.2025. (Gesetze im Internet,fm.rlp.de)